Reisen und Schreiben, das ist so wie Butter und Brot - eine wunderbare Kombination. Zusammen ergeben sie einen herrlichen Geschmack. Und wer will, kann mit kleinen Skizzen noch frischen Schnittlauch drüberstreuen.
In diesem Beitrag erfährst du...
- wie es dir gelingt, in den Schreibprozess zu finden.
- viele unterschiedliche Schreib- und Gestaltungsanregungen, die
- deine Texte stark und
- dein Buch bunt werden lassen und
- wie du bei alldem mehr über dich selbst entdecken kannst
- und du am Ende dein einzigartiges Reisetagebuch in Händen hältst.
Die Faszination von Reisen, Schreiben & Gestalten
Was macht diese Faszination aus?
Beim Nachdenken darüber stolpere ich über eine von Pablo Nerudas Fragen: "Hast du schon einmal über die Gleichgültigkeit des grenzenlosen Ozeans nachgedacht?" Pablo Neruda: "Das Buch der Fragen"
Für mich ist es so:
Fragen zu stellen, öffnet die Welt.
Darüber zu schreiben, lässt unerwartete Antworten finden.
Zu skizzieren gibt kleinen Seelenmomenten eine Gestalt.
Alles zusammen kann so viel: Gedanken festhalten, tiefer über Zusammenhänge und Bedeutungen nachdenken, belanglose Momente besonders werden lassen, Erlebtem Gestalt verleihen. Reisen bietet dir die einzigartige Gelegenheit, genau das auszuprobieren. Warum also nicht?
Such dir doch einen geschützen Ort, setz dich auf einen Stein, lass den Blick übers Meer schweifen, lausche dem Klang der Wellen, spür den Wind um deine Nase, hör das Kreischen der Möwen, fühle den Stift in deiner Hand und beginne ...
Ich liebe es, mein eigenes, individuelles Reise-Schreib-Skizzen-Tagebuch zu beginnen.
Welches Format spricht dich an, was macht dir Lust? Liebst du auch diese schönen Hefte und Bücher mit ihren leeren weißen Seiten, die dir erwartungsvoll zuflüstern? Solltest du zu großen Respekt vor ihnen haben, kann es leichter fallen, in einem einfachen Heft mit dem Schreiben zu beginnen - damit trickst du eigene Ansprüche und Erwartungshaltungen aus.
Was du für deine Schreib-Skizzen-Reise brauchen kannst: ein Heft oder ein Büchlein, am besten unliniert, einen Schreibstift deiner Wahl, verschiedene Fineliner oder Kugelschreiber. Und für farbenfrohe Momente: Aquarellstifte (wasservermalbare Farbstifte) und einen Wasserpinsel.
Reisen - Kreativ-Zeit für dich!
Wie bist du auf deiner Reise unterwegs? Es macht natürlich einen Unterschied, ob allein, als Paar oder mit einer Gruppe. Manchmal fällt es schwer, die Schreibzeiten zu planen. Es ist wunderbar, die Möglichkeit, direkt am Ort des Erlebens zu schreiben. Das ist estwas anderes, als Erlebtes am Abend oder am Morgen aufzuschreiben - wobei das natürliche genauso dazugehört. Erlaube es dir und ermutige dich dazu. Stimme es mit den anderen ab. Es ist hilfreich, dass du von deinem Vorhaben erzählst. Du wirst auf dieser Reise immer wieder Zeit nur für dich verwenden, und das ist gut so. Meist reicht eine halbe Stunde. Nimm dir deine Kreativ-Zeit! Am wunderbarsten ist es, sich mit Gleichgesinnten auf dieses Abenteuer einzulassen (oder auf einer meiner Schreibreisen mitzumachen:)
Schreiben passiert nicht nebenbei, es braucht dich!
Reisen heißt nicht nur, Neues zu sehen und zu erleben, Reisen heißt auch, voranzukommen, Strecke zu machen, Ziele zu erreichen. Oft entsteht dabei (Zeit-)Druck. Bestimmt hast du beim Unterwegs-Sein auch schon die tollsten Texte geschrieben - allerdings nur im Kopf, denn dir die Zeit dazu genommen, dich hingesetzt und sie aufgeschrieben - das ging sich leider nicht aus. So soll diese Reise nicht werden.
Lass dich von dem Ort, der sich dir bietet, verführen.
Bei einer meiner letzten Reisen mit meinem Mann hatten wir vereinbart, dass sich jeder Zeit für sein "Kreativ-Sein" nimmt - Zeit und Raum. Während ich mir also einen Platz im weichen Gras oder auf einem schönen Stein gesucht habe und zu schreiben oder skizzieren begonnen habe, hat er seine Kamera ausgepackt und fotografiert. Das hatte den Vorteil, dass jeder diese Zeit für sich aktiv zu nutzen wusste und nicht "auf den anderen gewartet hat". Was dabei wachsen konnte: gegenseitiges Verständnis, ein intensives Erleben des Augenblicks, Vertrauen, unperfekte Skizzen, sehr persönliche Texte, tiefe Erholung & ein sehr viel bewussteres Wahrnehmen der Natur.
Denn was ist schöner, als irgendwo an der Küste zu sitzen, den Blick und die Gedanken schweifen zu lassen und endlich einmal über die Unendlichkeit des Ozeans nachzudenken. Heute halte ich gern dieses Skizzenbuch in der Hand und erinnere mich an die vergangenen und erlebten Momente.
Es ist Deines
Ein Tipp: Hier ist kritikfreie Zone! Es gibt es kein richtig oder falsch.
Du musst deine Texte niemandem vorlesen, deine Skizzen niemandem zeigen. Es sind deine. Sie dürfen aus dem Moment entstehen, müssen nicht perfekt sein, werden vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt fertiggestellt, umgearbeitet oder sind eine Anregung für neue Texte. Hier ist dein persönlicher Raum, den du dir schenkst. Getraue dich, das auch den anderen gegenüber zu kommunizieren. Und dreh die innere kritische Stimme auf Leise. Die Stimme, die dir zuflüstert, dass alle anderen das besser können, du nichts Wichtiges zu sagen hast oder nicht gut genug bist. Nicht heute, nicht hier! Und wenn ein Text oder eine Skizze nicht so geworden ist, wie du sie dir vorgestellt hast, na und - auf der nächsten Seite entsteht etwas Neues. Hab Mut zum Versuch! Und vieles wird durch Üben und Wiederholen besser. Diese Reise ist Deine!
So wird dein Schreibtagebuch dein Begleiter - Anregungen
Hier verrate ich dir einen kleinen Goldschatz.
Nämlich einige meiner liebsten Anregungen, die ich du bei deiner Reise verwenden kannst. Sie sind hilfreich, dich in dein Erleben, zu deinen Wahrnehmungen und zum Weiterdenken zu führen. Wähle eine davon oder alle - wichtig ist, dass du dich nicht selbst überforderst. Hör immer wieder auf deine innere Stimme und dein Gefühl. Und manchmal schreib einfach auch ein bisschen weiter - auch das kann eine neue Erfahrung bringen.
- Wähle spontan einen Ort. Stell dich mit beiden Beinen auf die Erde - vielleicht sogar barfuß. Schließe die Augen und nimm alle Umgebungsgeräusche wahr. Höre, was es zu hören gibt: das Laute und das Leise. Spür, was es zu fühlen gibt: den Wind, die Hitze, das Nass. Atme tief ein und aus. Spüre deinen Körper an diesem Platz. Nimm so intensiv wahr, wie es dir möglich ist. Und nun öffne die Augen und sieh die Farben und die Welt um dich mit offenem Blick an. Ein intensives Erleben stellt sich ein. Und nun nimm deinen Stift und schreibe - gern auch gleich im Stehen. Schreib über deine Wahrnehmungen, Gedankenfetzen, Erlebtes, Gefürchtetes, Gedachtes. Diese Übung sensibilisiert deine Wahrnehmung.
- Wenn du dir mehr Zeit nehmen magst: Versuche, den einen oder anderen Vergleich zu finden: die Luft ist wie...Stanniolpapier, aufgeladen vorm Gewitter? Die Landschaft vor dir... ist wie gaspacho andaluz, satt und voll? Der Geruch erinnert dich an... den modrigen Kohlenkeller aus deinen Kindertagen? Vergleiche reichern den Text an, machen ihn stärker, eindrücklicher. Es entstehen dichte Bilder, die Gefühle und Assoziationen transportieren.
- Such dir einen guten Platz. Schreib einen Text im Sinne von Freewriting, der gerade entstehen mag. Streiche dir 5 Wörter beim anschließenden Durchlesen an, und schreib mit diesen 5 Wörtern einen weiteren Text. Dann wähle daraus 5 Wörter und bilde 5 Sätze. Bilde am Schluss einen Essenzsatz. Gib ihm in der Manier der modernen Lyrik eine eigene Form, ruhig auch mit einer besonderen, vielleicht kalligrafischen Schrift.
- Nimm einen Gegenstand, den du am Weg findest: eine Vogelfeder, einen Stein oder eine Muschel, ein Stück Holz, einen weggeworfenen Gegenstand, was auch immer... Beschreibe dieses Objekt. Was siehtst du, wie fühlt sich das an, und woran denkst du dabei? Oder welche Erinnerung/Assoziation löst es bei dir aus? Am Ende des Schreibprozesses fertigst du eine Skizze davon an.
- Beobachte eine Situation, z.b. beim Frühstückstisch, oder beim Warten in der Abflughalle, oder beim Bäcker, wenn du für dein frisches Croissant anstehst. Schreib ein Elfchen. Oder schreib einen ganzen Tag lang nur Elfchen. Ein Elfchen ist ein einfaches Schema: schreib in die erste Zeile ein Wort, in die zweite Zeile zwei Wörter, in die dritte drei, in die vierte vier und in die letzte Zeile wieder nur ein Wort.
- Ein besonders leiser Flügelschlag einer Möwe hat dich fasziniert? Das Grün des Waldes eingefangen? Oder der Moment, als die Sonne hinterm Horizont verschwand? Schreib ein Haiku. Was ist ein Haiku? Das eignet sich besonders, um Naturbetrachtungen und eigene Gedanken einzufangen. Diese Gedichtform stammt aus Japan und bestehet aus drei Sätzen, mit fünf Silben in der ersten Zeile, sieben in der zweiten und fünf in der dritten.
- Dein Reise-Begleiter oder jemand am Telefon soll dir 5 Wörter nennen, oder sammle unterwegs fünf, die du entdeckst, such fünf aus einer Zeitung oder der Speisekarte aus - mache zu jedem davon einen Paarreim. Schnipsel die Wörter aus oder schreib sie mit Handlettering in dein Buch oder gestalte etwas daraus. Oder verwende sie als Ausgangspunkte für verschiedene Textfragmente.
- Oder
- Schreib jeden Tag zur gleichen Zeit -
- Schreib jeden Tag über den gleichen Gegenstand -
- Wähle jeden Tag genau einen anderen Gegenstand aus -
- Schreib jeden Tag über ein Gefühl (immer das selbe oder immer ein anderes) -
- Nimm jeden Tag nur eine oder eben eine andere Farbe -
- Skizziere die Form einer Wolke in dein Buch und fülle sie mit Wörtern, die nur mit W beginnen oder schreib einfach ein Wolkengedicht hinein.
- Skizziere einen Baum, ein Haus, das Meer,... Gestalte. Schreib ein Textfragment darüber. Stelle danach einen Anfangssatz davor und einen Endsatz als Abschluss. Lies den entstandenen Text jemandem vor.
So bunt und vielfältig sind deine Möglichkeiten, lustvoll Texte entstehen zu lassen.
Ich lade dich ein, es einfach auszuprobieren und dich selbst überraschen zu lassen.
In meiner letzten Schreibgruppe über das Reisen drückte eine Teilnehmerin es so aus:
Reisen ist für mich das Gegenteil von Urlauben.
Bei Urlauben will ich ANKOMMEN, beim Reisen AUFBRECHEN.
Beim Urlauben will ich meine Schattenseiten wenig beleuchten.
Beim Reisen ist oft sogar die Flutlichtanlage an.
Wenn ich reise, darf ich ganz sein und mir zuhören. Denn im Echo liegt die Wahrheit der eigenen Gedanken.
(mARTina).
Welche Texte entstehen bei dir auf deiner nächsten Reise?
Und nur so, als Abschluss sozusagen - wir sind doch die ganze Zeit unterwegs.
Ist unser Leben nicht eine große Reise?
Hab Spaß und Lust und Freude am Tun.